Die erste Ausgabe des Romans mit dem Titel „Beer in the Snooker Club“ ist 1964 bei André Deutsch in London erschienen. Der Verlag C.H. BECK bringt ihn nun erstmals in deutscher Übersetzung heraus, versehen mit einem Vorwort von seiner Lektorin und Freundin Diana Athill in London.
Waguih Ghali wurde zwischen 1927 und 1929 in Kairo geboren, studierte in Alexandria, Kairo und Paris Medizin, jedoch ohne Abschluss. In Schweden und Deutschland ging er verschiedenen Berufen nach. Von 1966 bis zu seinem Suizid 1969 in der Wohnung Diana Athill’s lebte er in England. Der vorliegende Roman ist sein einziges Werk – seine Tagebücher sind posthum erschienen.
„Beer in the Snooker Club“ wurde während des Arabischen Frühlings, der in Ägypten im Winter 2011/12 ausbrach, zu einem Fanal für die Demonstrierenden. Das Kairo der Gegenwart erinnerte an die Repressionen in den 1950er Jahren unter Nasser, die von Waguih Ghali in seinem Roman angesprochen wurden.
Protagonisten sind Ram, der Ich-Erzähler, ein christlicher Kopte und sein Freund Font. Beide kommen aus der ägyptischen Oberschicht. In diesem Milieu spielt die Handlung, die aus dem Leben der Familien und Freunde erzählt. Der Roman ist im Grunde eine Auseinandersetzung zwischen arabischer und westlicher Welt. Politische und gesellschaftskritische Gespräche, in direkter Rede sehr lebendig wiedergegeben, haben großen Anteil am Text.
Melancholisch umschreibt Waguih Ghali den Ort der Handlung: „Wir haben in Ägypten keine Dämmerung. Wir haben einen großen Sonnenuntergang am Horizont mit malvenfarbenem Licht, mehr Substanz als Farbe, die bedauerlicherweise von allen Gegenständen ausgeht. Das hält nur wenige Minuten an, aber es kündigt eine frische Brise an, und plötzlich beleben sich die Straßen, und man hat das Gefühl, die Lethargie ist wie weggeblasen“.
Die jungen Snobs unter den Romanfiguren sind Müßiggänger am Geldhahn ihrer wohlhabenden Familien. Waguih Ghali kritisiert allerdings, dass mancher Reichtum auf Ausbeutung der Fellachen beruht. Ihr Treffpunkt ist der vornehme Snooker Club auf einer Nil-Insel in Kairo, einst britischer Offiziersklub, wo man nicht nur dem Billard, sondern auch dem Kartenspielen frönt. Hier und auf privaten Einladungen fließt Alkohol, vornehmlich Bier und Whisky. Dass dies in der Religion verpönt ist, wird ignoriert, was auch für freie Liebeleien gilt. Waguih Ghali spart Leidenschaft nicht aus: Ram ist fasziniert von zwei ägyptischen Frauen, eine davon, Edna, ist jüdischer Herkunft.
Die genannten Personen aus Politik u. a., Orte, Institutionen und Begriffe werden im Anhang erläutert. - Fazit: Das Buch ist ein interessantes Zeitbild; der Verlag stellt es als erstaunlich aktuell und doch zeitlos schön vor, teilweise sei es ein „Großer Gatsby“ in Kairo. Dem wird sich der Leser nach der Lektüre gerne anschließen.
Helga Walter-Joswig
< BIB Aktuell #25: Abriss des Beduinen-Dorfes Khan al-Ahmar — Beginn der Annexion? Ende der Zwei-Staatenlösung wird besiegelt