Der große Stamm der Beja prägt den Red Sea State mit seiner Hauptstadt Port Sudan. An der Red Sea University gibt es seit vielen Jahren das Beja Cultural Studies Center. Direktorin und Dozenten sind Beja, die neben Arabisch die Beja-Sprache sprechen. Ziele des Zentrums sind u. a. Erhalt von Sprache und Kultur der Beja. Dr. Mohamed Talib ist wissenschaftlicher Mitarbeiter mit dem Spezialgebiet Archäologie. Der Red Sea State ist reich an archäologischen Stätten und vor allem in den 1960-er Jahren gruben hier internationale Archäologen Teams. Dr. Talib hat viele der archäologischen Stätten besucht. „Besonders beeindruckt hat mich Nubt wegen der Tafeln mit arabischen Inschriften, die über 1000 Jahre alt sind. Es sind die ältesten, die in Sudan gefunden wurden“. Die Fotos auf seinem Computer machen neugierig und Dr. Talib erzählt: „Schon weit vor der Zeit der Römer war Nubt eine Karawanenstation für den Handelsverkehr zwischen Nil und Rotem Meer. Die Römer wurden zu Beginn der islamischen Zeit vertrieben. Für längere Zeit war Nubt Hauptstadt der Blemmyes, ein Nomadenvolk, das während der Zeit des kuschitischen Königreichs am Nil ca. 600 v. Chr. bis 300 n. Chr. im heutigen Red Sea State lebte. Die Blemmyes gelten als Vorfahren der Beja. Alle früheren Herrscher in Nubt haben ihre Spuren hinterlassen, daher ist die Gegend interessant für Archäologen, aber seit fünf Jahrzehnten ist Nubt in Vergessenheit geraten“.
In den 1950-er Jahren veröffentlichten die britischen Archäologen Owen und Sanders einen Bericht mit einer Skizze von Nubt und einer Beschreibung von Felszeichnungen, hauptsächlich von Rindern. In dem Bericht ist die Rede von Mauer- und Häuserruinen und von Gebäuden, die aus den typischen Steinen der Gegend erbaut wurden. Der italienisch/russische Ägyptologe Boris de Rachewiltz vermutete, dass in Nubt Bergbau betrieben wurde, weil man einen runden Mahlstein gefunden hatte, der zur Zerkleinerung des goldhaltigen Quarzes dieser Gegend diente. In Kooperation mit den Beja hatte er 1967 eine ethnologische und archäologische Mission geleitet. Die damals gefundenen bemalten Keramikgefäße, Glas und Perlen aus verschiedenen Materialien befinden sich im National Museum in Khartoum. Owen und Sanders haben Ringgräber beschrieben. In der Beja-Sprache heißen sie acratel. Diese Funde wurden in einer italienischen Mission von Archäologen 1965-1967 bestätigt.
„Obwohl ich schon zweimal in Nubt war, würde ich den Weg dorthin nicht wieder finden. Über Suakin fährt man die Straße nach Sinkat Richtung Südwesten und kurz hinter Sinkat geht es dann durch Wadis und eine einsame Berglandschaft Richtung Nubt – offroad. Man kann sich an Spuren orientieren, die die Goldgräber mit ihren Pick-ups hinterlassen haben, die verlaufen aber kreuz und quer und man braucht daher einen ortskundigen Beja und außerdem die Genehmigung der Sicherheitsbehörden in Port Sudan“, so Dr. Talib.
Zwei Tage später geht es los: Omar steuert den Toyota Landcruiser, die Sitze auf der Rückbank teilen sich Mohamed, Ali (Beja-Stammesführer und Guide) und Osman (Beja von der Provinzverwaltung), die sich bestens auskennen. Um 7 Uhr verlassen wir Port Sudan, mit ausreichend Verpflegung, Wasser und Benzin. Zweieinhalb Stunden später sind wir nach abenteuerlicher Serpentinenfahrt durch eine bizarre Berglandschaft, durch die sich auch die Containertrucks von Port Sudan quälen, südwestlich von Sinkat auf der dem 4WD alles abverlangenden „Piste“- offroad. Es geht 5 Stunden lang im Schneckentempo durch lange, steinige Wadis, um diese Jahreszeit (Dezember) trocken. „Wir fahren in Richtung Jebel Abakat“, meint Ali. Nubt liegt etwas östlich von diesem Berg, der höchste der Gegend. Auf dem Weg dorthin passiert man den Jebel Legeg, der wie eine riesige Pyramide in den Himmel ragt. Nur wenige Beja-Behausungen sind auszumachen: Kleine Rundhütten. Auf der gesamten Fahrt begegnen wir keinem Auto, die Goldgräber haben die Gegend verlassen, die Beja besitzen keine Autos. Wenige Beja, die das Motorengeräusch hören, tauchen wie aus dem Nichts auf: Einer reitet auf seinem weißen Kamel, den traditionellen Säbel und das Kummholz hat er bei sich. Ein Vater mit seinem kleinen Sohn, der sich über das mitgebrachte Brot freut, ist froh über die Abwechslung, alle sprechen Beja. Omar macht sich derweil Sorgen um sein Auto und die Insassen. Nicht nur er ahnt, dass dieser abenteuerliche Ausflug keinesfalls an einem Tag zu schaffen sein wird. Um 14:30 Uhr ist Nubt erreicht. Ring-Gräber jeder Größe sind auszumachen, fast alle von den Goldgräbern geplündert, wie die umherliegenden, dekorierten Ton-Scherben dokumentieren. Von vielen Häusern sind noch die Wände zu sehen. Der Brunnen ist mit Holzstämmen abgedeckt, an einem Hang erstreckt sich eine Palastruine gegenüber einer Moschee, deren Mihrab erhalten ist. Einen weiteren Hang hinauf zieht sich eine lange Mauer, vielleicht die ehemalige Stadtmauer? Alle Ruinen präsentieren sich in der gleichen Weise, gebaut aus Steinschichten der hier vorkommenden schwarz/roten, flachen Steine. Dr. Talib entziffert die Korantexte auf Steinen mit arabischen Inschriften, schon von weitem erkennbar durch ihre beige Farbe und ihre Größe. Hinter jedem Hügel gibt es andere Sehenswürdigkeiten und auch für das geübte Auge von Nicht-Archäologen ist klar: Hier liegen unentdeckte Schätze. Die Aussage von Dr. Abdel Rahman Ali Mohamed, Generaldirektor der National Corporation for Antiquities and Museums in Khartoum kommt in den Sinn: „In Sudan sind erst 20 Prozent der Altertümer von den Archäologen ausgegraben“. Die Dämmerung kommt viel zu schnell. „Der Rückweg ist eine andere Strecke – weniger schwierig“, tröstet Ali. Um 21 Uhr sind einzige Beleuchtung die Autoscheinwerfer und der Sternenhimmel und Omar meint, nach 14 Stunden sei er nun müde. Also gilt es, einen Schlafplatz mitten in der Bergwüste zu finden. Das einzige intakte Steingebäude kommt in Sicht: Ein Beja wohnt hier und er bietet einen Unterschlupf an: 50 m vom Haus entfernt taucht im Licht der Taschenlampen vor einer Mauer ein Reisig-„Dach“ auf – perfekt für die Beja. „Sie schlafen im Auto, ich auf dem Autodach“, entscheidet Omar. Alle bereiten sich am Lagerfeuer auf die Nacht vor, als der Hausbesitzer mit Kaffee aus dem Dunkel auftaucht: Gastfreundschaft gilt auch hier am Ende der Welt. Auf die Frage, was er sucht, meint Dr. Talib: „Einen quaderförmigen Stein“. - Wozu? –„Kopfkissen“. Es wird kalt, im Auto ist es noch warm, das Auto wackelt, Omar klettert auf’s Dach und es ist Nachtruhe angesagt. Der Anblick des grandiosen Sternenhimmels durch die Autoscheibe ist die Vorstufe zum Tiefschlaf. Am nächsten Morgen sind die Männer vom Tau durchnässt, aber „das macht nichts“, meint Dr. Talib: „Bei Übernachtungen in der Wüste ohne Schlafsack sind wir das gewohnt“. Wir brechen um 6 Uhr auf und fahren bei mystischem Licht dem Sonnenaufgang entgegen. Der obere Teil der Miskid Bäume (Akazienart) ragt schon aus dem Frühnebel heraus und langsam geben sich die umliegenden Berge zu erkennen.
Zurück in Port Sudan wird allen bewusst, welches Glück wir hatten, denn der Wettergott meinte es gut, es gab keine Panne und der Leichtsinn, nur mit einem Auto in eine abgelegene Gegend zu fahren, die über kein Mobiltelefonnetz verfügt, hatte keine Konsequenzen. „Wenn ich am Sonntag nicht im Büro erschienen wäre, hätte man nach uns gesucht“, verrät Osman.
Text und Fotos: Barbara Schumacher, Mitglied des Beirates der Deutsch-Arabischen Gesellschaft
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