Drei Jahre Kronprinz und drei Monate Corona: MBS - von Corona ausgebremst? Mitnichten! Gerade in Pandemie-Zeiten wird klar, dass die revolutionäre Vision 2030 des Kronprinzen Mohammed bin Salman (MBS) vor vier Jahren genau zum richtigen Zeitpunkt kam. In Zeiten sinkender Öleinnahmen und Corona bewährt sich die Diversifizierung der Wirtschaft.
MBS feiert 3-jähriges Jubiläum
Der Lieblingssohn des Königs ist seit 20. Juni 2017 Kronprinz. In diesen drei Jahren ist im Königreich weit mehr passiert als 30 Jahre vorher. Die sensationellen Wandlungen in Wirtschaft und Gesellschaft von totaler Abschottung zu stetig mehr Offenheit gehen den Älteren zu schnell und den Jüngeren nicht schnell genug. Die junge Bevölkerung will sich für das Land engagieren und hart arbeiten. Die Beseitigung der Korruption, Förderung der Frauen, die zunehmende Bedeutung der Privatwirtschaft, die Modernisierung des Landes auf allen Ebenen - inkl. eines „moderaten Islam“, Öffnung für den Tourismus und ganz neue Unterhaltungsmöglichkeiten sowie neue Technologien von Künstlicher Intelligenz über Industrie 4.0, G5 und neue Energiekonzepte (Wind und Solar) kommen sehr gut bei den jungen Leuten an. Das Königreich hat den Ehrgeiz, Marktführer im Bereich Solarenergie zu werden. In innovativen Bereichen entstehen kreative Start-ups in großer Zahl - gegründet von Frauen und Männern gleichermaßen. Auch Corona hat viel Kreativität hervorgebracht. Fünf Gigaprojekte sind in Planung mit dem obersten Ziel der Schaffung von Arbeitsplätzen.
Erfolg durch Reformen
Wie die ganze Welt, so ist auch das Königreich Saudi-Arabien von der Pandemie betroffen. Natürlich kann man sich fragen, ob das Land angesichts schwindender Einnahmen und wachsender Ausgaben, z. B. im Gesundheitssektor, in dem Saudi-Arabien sehr gut aufgestellt ist, weiterhin seine ambitionierten Pläne verfolgen kann. MBS ist dafür bekannt, dass er sich mit voller Kraft dem Wohl seines Landes widmet und sich dabei nicht aufhalten lässt. Flankierende Maßnahmen wie wachsende Effizienz der Ministerien, mehr Transparenz, Modernisierungen auf allen Ebenen, sogar im Rechtswesen (Religionspolizei, Todesstrafe für Minderjährige und Auspeitschungen sind abgeschafft) haben immerhin den Aufstieg des Landes unter die 20 wirtschaftsstärksten Länder ergeben. Die Wirtschaftsreformen haben jährliches Wachstum gebracht, der Nicht-Öl-Sektor wurde gestärkt. Auf der Prioritätenliste ganz oben stehen ausländische Investoren und die standen bis zum Ausbruch der Pandemie Schlange. Wird sich daran etwas ändern?
Attraktiv für Investoren
Das Jahr 2020 hatte gut angefangen. Im ersten Quartal wurden 348 neue Lizenzen für ausländische Investoren ausgestellt, ein Wachstum von 19 % gegenüber dem 1. Quartal 2019. (Quelle: Vierteljahres-Bericht des Investitionsministeriums).
In diesem Bericht geht es darüber hinaus sowohl um die nationale Antwort auf die Corona-Krise als auch um die Verantwortung des Königreichs in der Rolle als G-20 Gastgeber in diesem Jahr und Maßnahmen, die sowohl von Saudi-Arabien als auch von den nationalen und internationalen Investoren durchgeführt werden. Investitionsminister Khalid Al Falih schildert I/2020 als das beste Quartal für Investoren seit 10 Jahren, im März 2020 wurde die Entwicklung durch Covid-19 allerdings ausgebremst. In die Zukunft schauend meint er: “As we look toward a post-Covid-19 future, this is a reassuring show of confidence from the world’s investors in the Kingdom’s long-term prospects as an attractive investment destination.” Dabei kann er auf die Hauptquelle von Investoren aus USA und England zählen und deren Interesse für Informations- und Kommunikationsindustrie, E-Commerce, Tourismus, Kultur und Unterhaltung. Weitere Chancen ergeben sich im saudischen Gesundheitssektor, wo durch neue Gesetzgebung nun 100%ige Eigentümerschaft ausländischer Unternehmen erlaubt ist. Er ist sich bewusst, dass diese Investoren von größter Bedeutung sind und stellt daher die Stabilität und Sicherheit des „Investment-Ökosystems“ sicher. Im Hinblick auf die Pandemie hat das Ministerium sofort mit der Einrichtung des Covid-19 Response Center (MCRC) reagiert und damit eine Anlaufstelle für alle Investoren geschaffen, andere Regierungsstellen eingeschaltet und für Vertrauen und sofortige Problemlösungen gesorgt. Für den Privatsektor (alle Bereiche von KMU bis multinationale Unternehmen) wurden verschiedene Maßnahmen im Wert von 45 Mrd. USD bereitgestellt. Seit Beginn der Pandemie unterzeichnete man verschiedene Verträge, die sicherstellen, dass Saudi-Arabien auch in Zukunft attraktiver Investitionsstandort bleibt. Erst kürzlich wurden neue Abkommen geschlossen, darunter joint-ventures zwischen saudischen und ausländischen Firmen, und es wurde sogar eine neue Schifffahrtslinie zwischen Saudi-Arabien und Ostafrika angekündigt. Seit Ausbruch der Pandemie sind hunderte neuer Investoren dazugekommen - über Invest Saudi https://investsaudi.sa/en/ (gehört zur National Investment Promotion) - und man richtet das Augenmerk bereits auf die Post-Covid-19 Ära.
Erst im Februar 2020 hatte Saudi-Arabien seine Investment Infrastruktur aufgewertet. Die Rolle der Saudi Arabian General Investment Authority (SAGIA), die Regierungsbehörde, die sich viele Jahre um ausländische Direktinvestoren (mit Büro in Frankfurt) gekümmert hatte, wurde durch die Schaffung des neuen Investitionsministeriums optimiert. Als Khalid Al-Falih, ehemaliger Energieminister und Saudi Aramco Vorstandsmitglied zum Investitionsminister ernannt wurde - einer der international bekanntesten und anerkanntesten Politiker - werteten Fachleute das als klares Zeichen an die globalen Investoren, dass ausländische Direktinvestitionen auf der strategischen Agenda der Regierung Priorität haben.
Ausländische Investitionen werden wichtiges Thema des G20 Gipfels am 21./22.11.2020 in Riyadh sein. Das den G20 vorbereitende Treffen der Taskforce „Investitionen“ fand am 20. Mai 2020 statt - als Videokonferenz. Das Ergebnis finden Sie hier.
Viele deutsche Unternehmer sind in Saudi-Arabien seit Jahrzehnten erfolgreich tätig. Anlaufstelle deutscher Investoren ist die AHK Riyadh. Ihr aktuelles Dienstleistungsangebot:
“On our special Covid-19 website, we provide you with the latest information and measures from Saudi Arabia and Bahrain. In order to comply with these measures, the German business delegation for Saudi Arabia, Bahrain and Yemen is operating from its home office. We are still available for questions (e.g. regarding market entry). Services are gladly provided digitally, personal meetings are replaced by webinars and digital conferences. All our colleagues can be reached via email and their mobile phones. GESALO Covid-19 Infopage“
Maßnahmen des Finanzministers
Seit Anfang Mai 2020 bereitet Finanzminister Mohammed Al-Jadaan, derzeit auch „Acting Minister“ für Wirtschaft und Planung, die Bevölkerung auf schwierige Zeiten vor. Aber die Situation ist immer noch komfortabel, denn das Königreich verfügt über bedeutende Reserven und kann sich unbegrenzt auf den Geldmärkten bedienen. Unterstützende Maßnahmen wie Kostenreduzierung und Regulierung der öffentlichen Finanzen stehen auf der Agenda. Eingeplant sind sowohl weitere Probleme beim Ölverkauf als auch auf dem Nicht-Öl Sektor - letzteres wegen der drastischen Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie. Al-Jadaan meint: “The impact of the Covid-19 pandemic on both oil and non-oil first quarter revenues will be limited. The government will announce additional measures to support the economy by the end of June. The kingdom went through similar crises in its history – maybe even worse – and was able to pass through them. This is not an exception.” Die robuste saudische Wirtschaft könne schwindende Einnahmen und fiskale Defizite verkraften. Er weist darauf hin, dass die G20 Staatschefs beschlossen haben, über 7 Billionen USD in die globale Wirtschaft zu pumpen, um damit Unternehmen und Arbeitsplätze in Zeiten der Pandemie zu sichern. Saudi Arabien hat darüber hinaus entschieden, sich an den Forschungen für einen Impfstoff mit 500 Mio. USD zu beteiligen.
Erst seit 2018 kennen die Saudis die Mehrwertsteuer, die mit 5 % eingeführt wurde. Nun hat der Finanzminister eine drastische Erhöhung auf 15 % ab 1. Juli angekündigt. Der möglichen Konsequenzen auf den Handel mit den übrigen GCC Staaten ist man sich bewusst - dort ist eine Mehrwertsteuererhöhung bisher nicht geplant. Auch sonst müssen die Saudis eine weitere Liste von Sparmaßnahmen schlucken, z. B. Streichung der Zuschüsse für Regierungsmitarbeiter, Gehälter und Vergünstigungen von regierungsfreundlichen Institutionen werden überprüft, bestimmte operationale Ausgaben werden gestrichen oder verschoben und einige Vorhaben der Vision 2030 werden reduziert.
Die Giga-Projekte laufen nach Plan
Die großen Investitions-Projekte der Vision 2030 werden nicht gestrichen und eher zeitlich gestreckt als finanziell heruntergefahren. Auch in Corona-Zeiten gehen die Arbeiten daran weiter. So wurde beispielsweise am 18. Mai 2020 für das Gigaprojekt Qiddiya (zukünftige Hauptstadt für Entertainment) zwischen der Qiddiya Investment Company und der Saudischen DETASAD ein 5-Jahres Vertrag geschlossen, der das gesamte IT Infrastruktur System umfasst. Weitere Partnerschaftsverträge auf anderen Gebieten sind für die nächsten Monate angekündigt. Die Bauarbeiten laufen nach Plan. Das gilt auch für die anderen Gigaprojekte wie Red Sea Project, Amaala und NEOM. Das ambitionierte akademische Ausbildungsprogramm „NEOM Berufsdiplom mit Beschäftigungsgarantie“ wurde am 5. Mai 2020 an der im Januar 2020 eingeweihten NEOM Akademie in Tabuk initiiert. Diese Akademie gehört zur Universität Tabuk. Der Start erfolgt mit 1000 Studierenden, die nach ihrem Abschluss in NEOM arbeiten werden. In den nächsten 5 Jahren sollen weitere 5000 Studierende hinzukommen, die dann alle im weltweit größten Projekt dieser Art beschäftigt sein werden. Unterrichtsfächer im ersten Jahr sind Tourismus, Hotelwesen und Cybersecurity. Diese Ausbildung ist wichtiges Ziel von NEOM. Am 22. Mai 2020 wurde angekündigt, im Rahmen des “National Program for Community Development“ die Eigentümer der Grundstücke, die für die erste Bauphase von NEOM benötigt werden, umgehend zu entschädigen. Die Vorbereitungen dazu wurden in Rekordzeit abgeschlossen und beinhalten vom Gesundheitsministerium vorgeschriebene Corona-Sicherheitsmaßnahmen für Anwohner und Arbeiter. Die erste Bauphase betrifft die Orte Sharma, Qiyal, Al-Khuraibah, As-Surah und Bir Fhayman im südlichen Teil von NEOM. Als ich im November 2019 bei meiner Fahrt durch das gesamte NEOM-Gebiet hier vorbeikam, genoss ich noch die Unberührtheit der grandiosen Landschaft und konnte vereinzelt erste Infrastruktur-Arbeiten feststellen. Die genannten Orte liegen nördlich der Hafenstadt Dhuba nicht weit von der Küstenstraße entlang des Roten Meers mit einigen vorgelagerten, unbewohnten Koralleninseln. Sharma ist der größte dieser Orte, ca. 60 km nördlich des neuen, bereits fertigen Neom Bay Airports.
PIF auf Einkaufstour
Mitte Mai wurde bekannt, dass der saudische Public Investment Fund (PIF) (https://www.pif.gov.sa/en/Pages/default.aspx#1) Millionen schwere Aktienpakete erwarb, z. B. Boeing, Disney, Facebook, BP, Bank of America, Citigroup, Marriott International, Total, Dutch Shell, um nur einige zu nennen. Der Governor von PIF, Yasir Al-Rumayyan erklärt seine Strategie so: “You don’t want to waste a crisis from the opportunities. For us, we are looking into any opportunities. If you look at different sectors like airlines, oil and gas, entertainment – they are all put on hold with the stoppage of the economy. We think once the economy is opening up, I think we will see a lot of returns."
Das klappt natürlich nur, wenn die Pandemie eines Tages wirklich Geschichte ist - und keine neue auftaucht.
Text: Barbara Schumacher, Beiratsmitglied der Deutsch-Arabischen Gesellschaft
Fotos: G20 Saudi Arabia, SPA (5) und Barbara Schumacher, Beiratsmitglied der Deutsch-Arabischen Gesellschaft
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