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12.05.2014

 

Vortrag von Peter Webers (BMBF) bei dem DAG-Frühlingsfest auf dem Landgut Gühlen am 03.05.2014

 

 

Peter Webers

Königliche Hoheit,

sehr geehrte Herren Botschafter,

sehr geehrter Herr Präsident, lieber Herr Prof. Scholl-Latour,

sehr geehrter Herr Generalsekretär, lieber Herr Bock,

sehr geehrte Damen und Herren vom erweiterten Vorstand,

sehr geehrter Herr Penz

sehr geehrte Damen und Herren,

 

ich freue mich, hier auf diesem wunderschönen Gut anlässlich des Frühlingsfestes der Deutsch-Arabischen Gesellschaft über die deutsche Forschungs- und Wissenschaftskooperation mit den nordafrikanischen Staaten sprechen zu dürfen. Wir haben heute schon sehr viel über die große Politik gehört. Bildung und Forschung sind ein kleiner Teil davon. Aber ein wichtiger.

 

Zunächst möchte aber auch ich die Gelegenheit wahrnehmen und Ihnen, sehr geehrter Herr Scholl-Latour, nachträglich meine herzlichen Glückwünsche zu Ihrem 90ten Geburtstag aussprechen. Seit ich Politik bewusst wahrnehme, ist dies untrennbar mit ihren Ansichten und Kommentaren -damals aus Frankreich- verbunden. Ich wünsche Ihnen weiterhin eine gute Gesundheit und viel Spaß und Kraft bei allem, was sie unternehmen.

 

Der sogenannte „Arabische Frühling“ hat Autokraten, Tyrannen, Despoten vertrieben. Die oft grausamen und menschenverachtenden Einzelheiten ihrer Herrschaft werden erst nach und nach bekannt. In vielen Ländern haben diese Perioden ganze Generationen geprägt, die im besten Fall jetzt erstmals frei wählen können. Nur mit grenzenlosem Optimismus konnte man denken, dass sich nun alles und gleich zum Besseren wendet. Es brauchte nicht lange, um festzustellen, dass vielleicht ein großes Problem gelöst wurde, dass dafür aber zahlreiche neue entstanden sind.

 

Tatsächlich ist die politische und wirtschaftliche Lage vielerorts in Nordafrika und im Nahen Osten prekär und die Zukunft ist völlig offen.

Konkret: Im Mittelmeerraum, insbesondere in Nordafrika, werden die Auswirkungen des globalen Wandels sehr viel stärker als in anderen europäischen Regionen spürbar. Die komplexen Wechselwirkungen der Fragestellungen zu den Themen Gesundheit-Energie-Wasser-Ernährung, aber auch zu Sicherheit, Frieden und guter Regierungsführung können nur mit gemeinsamen Anstrengungen erfolgreich angegangen werden. Dasselbe gilt für die Flüchtlingsströme. Täglich fliehen immer noch 2000 bis 3000 Menschen aus Libyen in das benachbarte Tunesien. Nach Schätzungen des UNHCR haben bisher knapp 450 000 Menschen Libyen verlassen und sind in Nachbarländer geflüchtet. 218 000 Menschen sind den Schätzungen zufolge nach Tunesien gekommen. Die Aufnahmeplätze, die die EU für politisch Verfolgte bereitstellt, sind begrenzt. Nur Schweden hat in der Flüchtlingsfrage bislang deutliche positive Signale gesetzt.

 

Nicht nur aus meiner Sicht ist gegenwärtig das drängendste sozio-ökonomische Problem aller arabischen Länder die immens hohe Jugendarbeitslosigkeit. Die arabischen Länder weisen im weltweiten Vergleich die jüngste Bevölkerung auf; über 70 % der Menschen sind jünger als 30 Jahre. Nur die Bevölkerung Subsahara-Afrikas ist noch jünger.

 

Was für ein Potenzial!

 

Aber: Die Jugenderwerbslosenquoten in allen Ländern Nordafrikas sind durchgehend im hohen zweistelligen Bereich. Im Jahr 2012 waren in Ägypten 35,7% der Jugendlichen ohne Arbeit. Das hat sich in der Zwischenzeit weiter verschlechtert. In Marokko waren es immerhin „nur“ 17,4%.

 

Die Region um das Mittelmeer einschließlich des Nahen Ostens und Nordafrikas hat eine Gesamtbevölkerung von nahezu 500 Millionen Menschen. Wir sind also in den nordafrikanischen Staaten konfrontiert mit millionenfacher persönlicher Perspektiv- und Chancenlosigkeit, mit extremen Frustrationen und grenzenloser Wut, weil die Zukunft in den Augen so vieler Menschen absolut nichts zu bieten hat – außer Armut, Krieg und Unsicherheit.

Was für ein Potenzial! Was für ein Konfliktpotenzial!

 

Es ist nicht nur die Sorge um die Zukunft dieser jungen Generation, die die nordafrikanischen Eliten antreibt. Seit dem „Arabischen Frühling“ ist es auch die Angst vor der Mobilisierungskraft und Dynamik der Jugendlichen. Die Aufgabe für die Regierungen – seien diese demokratisch legitimiert oder nicht -  ist es daher, Millionen von neuen Arbeitsplätzen für diese junge Generation zu schaffen. Ich ergänze hier und das macht es in keiner Weise leichter: am besten einen Arbeitsplatz entsprechend der Qualifikation jedes Einzelnen! Gerade für Jugendliche mit Hochschulabschluss bestehen in den arabischen Ländern gegenwärtig nur mangelhafte Aussichten auf eine adäquate Arbeitsstelle.

 

Wenn ich eben von den Wechselwirkungen der Fragestellungen im Zusammenhang mit dem globalen Wandel gesprochen habe, meine ich: Wir sind betroffen. Denn in der globalisierten Welt sitzen wir unmittelbar und dicht gedrängt nebeneinander. In einem kleinen Boot. Die Perspektivlosigkeit von vielen Millionen junger Leute in unserer unmittelbaren Nachbarschaft berührt uns hier im Norden unvermittelt und zeitgleich.

Und damit meine ich nicht unser Herz.

 

Damit meine ich unsere Wirtschaft, unsere Entwicklungsfähigkeit, unsere Innovationskraft, unseren Fachkräftemangel, unsere Zukunftsmärkte, Rohstoffe, die wichtig für uns sind, und unser Interesse, nicht zu unendlichen Flüchtlingsströmen beizutragen, die uns täglich unser Versagen vor Augen halten. Kein Altruismus also. Und nicht nur das: Wir lernen. Wir lernen, das gesamte hergebrachte und anscheinend selbstverständliche, traditionelle Gefüge neu zu sehen, zu hinterfragen und in neue Zusammenhänge zu stellen. Natürlich lernen wir auch das, was erreicht wurde, wert zu schätzen und - zu teilen.

 

Sie sehen, wir haben hier nicht den Geber und in Nordafrika die Bedachten. Wir sind die Nutznießer der Zusammenarbeit – jetzt und auf lange Sicht und mindestens in gleicher Weise. Von allen Maßnahmen für die Region profitieren wir am meisten. Denn wir haben am meisten zu verlieren. Aus dem Blickwinkel der Entwicklungszusammenarbeit ist das eine neue Perspektive, für uns im Bereich Bildung und Forschung die alltägliche Erwartung und Erfahrung. Hier geht es wie überall, wo geforscht wird, um Fragestellungen, die Antworten suchen, um das gemeinsame Lösen von Problemen und um das Lösen unserer gemeinsamen Probleme.

 

Die Schwierigkeit der gigantischen Aufgabe darf uns nicht sprach- oder hoffnungslos machen. Für ihre Lösung wurde eine breite internationale Unterstützung zugesagt. So hatte die Bundregierung im Jahr 2011 z.B. sogenannte „Transformationspartnerschaften“ ins Leben gerufen. Dabei können die Betroffenen das Wort „Transformation“ schon nicht mehr hören. Es suggeriert Passivität und weitere Gängelung, wo doch Kreativität, Selbstbestimmung, Phantasie und Innovationskraft die neuen treibenden Faktoren sein sollen. Aber unabhängig von ihrem Namen haben diese Partnerschaften das Ziel, den demokratischen Wandel zu fördern und zur Verbesserung der wirtschaftlichen und sozialen Situation beizutragen. Das BMBF beteiligt sich an diesen Initiativen mit dem Fokus auf Bildung, Forschung und Innovation, bislang vor allem mit Ägypten und Tunesien.

 

Insbesondere mit Tunesien wurde die Zusammenarbeit schnell und in besonderem Maße intensiviert. So fanden bereits im Jahr 2012 erstmalig deutsch-tunesische Regierungskonsultationen auf hoher Ebene statt, die den Grundstein für eine vertiefte Zusammenarbeit legten. Dies ist insofern bemerkenswert, als es das erste Mal war, dass Deutschland diese Form von Gesprächen mit einem Maghreb-Land führte. Zwei der  Hauptbereiche, in denen, entsprechend den Beschlüssen der ersten Regierungskonsultationen, die bilaterale deutsch-tunesische Kooperation in nächster Zeit ausgebaut werden soll, sind

-         Bildung, Hochschulwesen, Berufsbildung, Weiterbildung

-        Forschung und Innovation.

 

Diese Herausstellung von Bildung, Forschung und Innovation hat einen guten Grund. Alle drei Bereiche sind immer und auf lange Sicht die Basis für eine nachhaltige gesellschaftliche Entwicklung und für künftigen Wohlstand. Bildung, Forschung und Innovation sind auch Mittel, um für Beschäftigungswachstum zu sorgen. Damit können wir Millionen junger Leute in Nordafrika eine positive Perspektive schaffen.

 

Die Voraussetzung für eine nachhaltig erfolgreiche Integration in die globalen Wertschöpfungsketten ist abhängig von der Herausbildung nationaler Kapazitäten, z.B. von der Generierung, Verbreitung und Ausbeutung von Wissen sowie von technologischen Fähigkeiten für eine moderne und effiziente Produktionsweise. In der Tat werden seit nunmehr annähernd zwei Jahrzehnten in allen arabischen Ländern starke Anstrengungen unternommen, die Versäumnisse der Vergangenheit nachzuholen.

 

Dabei haben Wissenschaft und Forschung hier eine lange Tradition. Es ist noch gar nicht so lange her, als das Arabische die „lingua franka“ der Wissenschaften war. Vor gut 700 Jahren begann mit der Gründung des „Hauses der Weisheit“ in Bagdad eine Epoche der Gelehrsamkeit. Hier wurden viele wichtige wissenschaftliche Erkenntnisse der Antike vor dem Vergessen bewahrt. Es wurden aber auch viele neue Erkenntnisse hinzugewonnen und viele heutige Wissenschaftsdisziplinen verdanken ihre Entstehung und ihre zentralen Prämissen den „arabischen Wissenschaften“ – in einer Zeit, als Europa unter dem ewig dauernden Krieg zwischen England und Frankreich und vielen weiteren kriegerischen Auseinandersetzungen litt, die Pest-Pandemie ganze Regionen dezimierte, „Hexen“ systematisch ebenso verfolgt wurden wie Abweichler vom „rechten“ Glauben. Zu der Zeit war Europa im Dunkel des ausgehenden Mittelalters gefangen.

 

Vergegenwärtigt man sich die Auswirkungen dieser arabischen Arbeiten, so ist es nicht verwunderlich, wenn mache behaupten, die arabischen Wissenschaften haben mit das Fundament unserer modernen Kultur gelegt.

 

In Bildung und Forschung benötigen wir also auch in Nordafrika weniger „Nachhilfe“. Vielmehr geht es um echte Partnerschaften zur Lösung gemeinsamer Herausforderungen in Bereichen von gemeinsamem Interesse. Ich habe sie eben bereits aufgezählt: Klimawandel, Umwelt, Gesundheit, Sicherheit, Frieden, gute Regierungsführung. Um im Bild zu bleiben: Es geht um die Errichtung eines neuen Hauses der Forschung, der Bildung, der Innovation. Hier können wir auf ein solides Fundament aufbauen. Zu dieser Baustelle und den Bauarbeiten komme ich jetzt.

 

 

 

Zunächst zu den Chancen und Herausforderungen. (Natürlich ist das verkehrt. Niemand käme auf die Idee, über die „Bedarfe“ Asiens, Amerikas oder Australiens zu sprechen. Bei Afrika machen wir das ganz gern. Auch bei Nordafrika. Die geringfügige „regionale“ Eingrenzung macht es nicht besser. Richtig wäre, in jedes einzelne Land genau zu schauen, eine präzise Analyse durchzuführen und dann vorsichtige Schlüsse zu ziehen – für jeden Bereich gesondert. Das tun wir auch. Aber ich habe hier nur 20 Minuten und bitte sie deswegen, die Unschärfe zu entschuldigen)

 

In allen arabischen Staaten wird traditionell viel Wert auf eine gute und kostenlose Grundausbildung gelegt wird. Diese Politik hat sich ausgezahlt und spiegelt sich zum Beispiel in der hohen Alphabetisierungsrate bei Erwachsenen wider (durchschnittlich 84 %). Dagegen besaßen Investitionen in Forschung oder innovationsbasierte wirtschaftliche Entwicklung in der Vergangenheit nicht die gleiche Priorität wie die Primärbildung. Das hat seine Logik, aus vielen Gründen. Aber künftig sollten wir gemeinsam versuchen, hier den richtigen Weg zu finden, um beides besser zu verzahnen und so die Bestandteile erst richtig nutzbar zu machen.

 

Zentrales Problem der Hochschulen in den nordafrikanischen Ländern ist deren finanzielle Unterversorgung. Zusätzlich stoßen die nordafrikanischen Universitäten gegenwärtig aufgrund des rapiden Bevölkerungswachstums und wegen schnell steigender Immatrikulationsraten an die Grenzen ihrer Aufnahmekapazitäten. Gravierend ist auch, dass in den Fachbereichen mit hoher Relevanz für die Ausbildung technologischer Fähigkeiten, wie etwa Naturwissenschaften, Ingenieurswissenschaften und Mathematik, kein oder kein ausreichend ausgebildetes Lehrpersonal sowie nur veraltete Ausstattungen vorhanden sind. Insbesondere wäre zu überlegen, die Inhalte in diesen Fächern an die Bedarfe der Arbeitsmärkte anzupassen. Solange dies nicht erfolgt ist, finden Hochschulabgänger auf den nordafrikanischen Arbeitsmärkten nur sehr schwer einen adäquaten Arbeitsplatz.

 

Ein dringender Bedarf besteht also insbesondere hinsichtlich der Verzahnung zwischen „Wissensgenerierung“ (also den Hochschulen und Forschungsinstituten) und der „Wissensanwendung“ (also mit der Industrie und mit Unternehmen). Hier kann man an vielen Punkten ansetzen. In Libyen z.B. wird bereits ein sog. „Duales Modell“ praktiziert, das darauf abzielt, die Hochschulausbildung sehr viel praxisgerechter zu gestalten und somit die nationale und internationale Arbeitsmarktfähigkeit, die Jobfähigkeit der Studierenden zu erhöhen. Angestrebt wird eine qualifizierte Partnerschaft zwischen Hochschulen und der Wirtschaft. Ich kann mir gut vorstellen, dass das ein tragfähiges Modell für ganz Nordafrika werden könnte. Danach werden Multiplikatoren befähigt, ihre Absolventen arbeitsmarktgerecht auszubilden. Sie müssen später an ihrer Hochschule das Fundament für die berufliche Tätigkeit ihrer Studierenden legen, Problemlösungskompetenz vermitteln, sich dem Tempo der Wirtschaft anpassen, das Ziel Berufsfähigkeit der Absolventen im Auge haben und Kreativität fördern. Wenn Sie dazu Fragen haben, können sie sich gern an Frau Professor Edda Pulst wenden, die hier ebenfalls anwesend ist, und die dieses Modell entwickelt hat.

 

Hinzu kommt, dass der private Sektor in allen nordafrikanischen Ländern kaum Ausgaben für Forschung und Entwicklung tätigt. Und die öffentlichen Ausgaben für Forschung und Entwicklung sind in allen nordafrikanischen Staaten ebenfalls gering. Fast überall werden weniger als 1% des BIP für FuE ausgegeben. Einzige Ausnahme bildet Tunesien, dessen Ausgaben in den vergangenen 25 Jahren schrittweise auf gegenwärtig 1,1 % des BIP erhöht wurden. Aber auch in Tunesien spielt der privatwirtschaftliche Sektor keine Rolle für die Finanzierung von FuE. (zum Vergleich D: Die Quote der FuE-Aufwendungen der Wirtschaft als Anteil am Bruttoinlandsprodukt ist 2013 auf 2,02 Prozent gestiegen. Zusammen mit den von 0,94 auf 0,96 Prozent ebenfalls gestiegenen staatlichen Aufwendungen beträgt die FuE-Quote insgesamt 2,98 Prozent.)

 

Zusammenfassend kann man sagen, dass die Ursachen für die im Vergleich durchweg verbesserungsfähige Produktivität, die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und Innovationskraft der arabischen Volkswirtschaften vielfältig, aber von Land zu Land durchaus unterschiedlich sind. In allen Fällen spielt die noch nicht ausgeschöpfte Nutzung der vorhandenen Ressourcen und der Potenziale eine wesentliche Rolle.

 

Erfolge sind aber auch mit einem eingeschränkten Budget möglich. In Marokko, Tunesien und Ägypten konnte durch den verbesserten Zugang zu und die optimierte Nutzung von neueren, internationalen Technologien und Forschungsergebnissen seit Mitte der 1990er Jahre eine gute Grundlage für Technologieanpassung und in steigendem Umfang auch für Forschung geschaffen werden. Das gilt vor allem für die Natur-, Ingenieur- und Gesundheitswissenschaften.

 

Ein zentraler Ansatz ist auch die Etablierung von Technoparks und Clustern in der Region. Diese Parks zielen auf die bessere Verbindung zwischen Bildung, Forschung und Innovation. Tunesien ist hier einmal mehr der regionale Vorreiter gewesen. Hier existiert mit dem Technopark Elgazala ein regionales Vorzeigeprojekt. Ein weiteres Beispiel ist der marokkanische Technopark Haliopolis in Agadir.

 

 

 

Was tun wir als in Bildung und Forschung Verantwortliche dafür, dass die bestehenden Chancen genutzt und die Herausforderungen gemeistert werden?

 

Die Kooperationen des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) mit den südlichen und östlichen Mittelmeeranrainerstaaten haben sich über eine lange Zeit entwickelt. Ein Schlüsselland der Kooperationen mit der Region ist Ägypten. Ägypten war 2007 das Land des ersten internationalen Wissenschaftsjahres überhaupt. Seitdem haben wir entsprechende Wissenschaftsjahre mit den meisten BRICS-Staaten durchgeführt. In diesem Jahr ist die Türkei unser besonderer Partner.

 

Die bilaterale Zusammenarbeit mit Ägypten im Bereich Bildung, Wissenschaft und Forschung intensiviert sich seit dem Abschluss der grundlegenden WTZ-Abkommen in den Jahren 1979 und 1981 beständig. Weitere bilaterale Kooperationsbeziehungen bestehen zu Marokko und Tunesien. Thematische Schwerpunkte der bilateralen Kooperation sind vor allem die Forschungsfelder Klimawandel, Umwelt und Ressourcenmanagement, Energie und Energieeffizienz sowie Gesundheit. Darüber hinaus werden auch die Chancen in multilateralen Gremien genutzt, wie der Euro-Mediterranean Group of Senior Officials in Research and Innovation (EU-Med GSO), in dem unter anderem an einer gemeinsamen Forschungsagenda für die Mittelmeerregion gearbeitet wird.

 

Der politische Referenzrahmen zur Gestaltung der Kooperationsbeziehungen auch zu den nordafrikanischen Staaten bildet die Strategie der Bundesregierung zur Internationalisierung von Wissenschaft und Forschung aus dem Jahr 2008, kurz Internationalisierungsstrategie genannt. Mit Einzelheiten möchte ich Sie jetzt nicht langweilen, daher hier nur die vier Schwerpunkte:

(1)  Es geht um die Stärkung der Forschungszusammenarbeit mit den weltweit Besten,

(2)  Es geht um die Erschließung internationaler Innovationspotenziale,

(3)  um den nachhaltigen Ausbau der Zusammenarbeit mit Entwicklungsländern in Bildung, Forschung und Entwicklung sowie

(4)  um die Übernahme internationaler Verantwortung zur Bewältigung globaler Herausforderungen.

 

Mit diesen Leitlinien vereint die Strategie berechtigte Anliegen Deutschlands mit den vielfältigen Interessen unserer internationalen Partner bzw. unserer globalen Verantwortung. Deutschland interpretiert dabei seine Rolle entsprechend dem zeitgemäßen Ansatz einer „Kooperation auf Augenhöhe“. Dabei ist es egal, ob es sich bei dem Kooperationspartner um ein Entwicklungs-, Schwellen- oder Industrieland handelt. Dies bedeutet konkret, die Partner der bilateralen Forschungsprogramme übernehmen gemeinsam und gleichberechtigt Verantwortung für die Gestaltung und Durchführung. Das geschieht etwa in Form einer gemeinsamen Finanzierung des Programmes, einer aktiven inhaltlichen Mitgestaltung und einer transparenten administrativen Implementierung. Es bedeutet andererseits, dass das BMBF in den Kooperationsprogrammen wirkungsvoll die eigenen forschungs- und innovationspolitischen Interessen verfolgt.

 

Wie sind die Perspektiven?

 

Die Ereignisse des Arabischen Frühlings und die Entwicklungen in Ägypten und Tunesien sowie in anderen südlichen und östlichen Mittelmeeranrainerstaaten verändern die Region grundlegend. Auch die etablierten Kooperationsbeziehungen des BMBF in den Bereichen Bildung und Forschung verändern sich in der Folge. So heißt es im aktuellen Koalitionsvertrag, dass die Forschungszusammenarbeit unter anderem auch mit den Transformationsländern strategisch weiterentwickelt werden soll (S. 29). Die Rahmenvorgaben zu dieser Weiterentwicklung finden sich z.B. im Afrikakonzept der Bundesregierung aus dem Jahr 2011 und in dem in Kürze erscheinenden Afrikakonzept des BMBF, auf die ich an dieser Stelle der Einfachheit halber verweise.

 

 

 

Niemand möchte vor der Gewalt der Herausforderungen und der Komplexität der Aufgabe kapitulieren. Ich hoffe, ich konnte aufzeigen, dass

 

1.    die Rolle von Forschung und Bildung essentiell ist für die Entwicklung der Region und für unsere eigene Entwicklung,

2.    dass die Kooperation zwischen Deutschland und der Region in den Bereichen Forschung, Bildung und Innovation auf gemeinsamen Herausforderungen und gemeinsamen Interessen beruht,

3.    dass die Stärkung der zivilgesellschaftlichen Kräfte eine wichtige Rolle spielt, und

4.    dass wir dazu künftig auch den multilateralen Rahmen stärker als bisher gemeinsam nutzen wollen.

 

Durch die vielen bereits laufenden Aktivitäten sind wir einem neuen, gemeinsamen Haus der Wissenschaft, Forschung, Bildung und Innovation schon ein wenig näher gekommen. Doch es bedarf weiterer und vor allem sehr nachhaltiger Bemühungen, es weiterzuentwickeln. Daran arbeiten wir.

 

 

   

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