Dieses Kunsthandwerk wurde von einer Generation zur nächsten weitergegeben. Solche Kleider werden noch heute getragen. „Die Art der Stickerei war Ausdruck der sozialen Stellung der Frau und man konnte an Hand von geometrischen Mustern und Farbzusammenstellungen genau feststellen, ob sie aus Ramallah, Haifa, Hebron, Gaza, Beit Dajan, etc. stammte. Die Motive der Stickereien hatten Namen aus Natur und Haushalt wie Palmblätter, Zypresse, Lampe oder Seifenstück, aber auch geschichtliche Motive lassen sich ausmachen, wie Straße nach Ägypten oder Zelt des Pashas“, erzählt sie. Najat hat es sich zur Aufgabe gemacht, diese Tradition zu erhalten – auf ungewöhnliche Weise: Während z. B. Widad Kawar, die ebenfalls aus Palästina stammende, internationale Sammlerin bestickter, traditioneller Kleider aus Palästina, Irak und Jordanien – die heute in Amman lebt – Teile ihrer Sammlung weltweit in berühmten Museen ausstellt, hat sich Najat zu einer innovativen Adaptation entschlossen: Sie malt die palästinensischen Stickereien auf Porzellan. Viele Anregungen bekommt sie dabei von den Motiven aus der Sammlung von Widad Kawar. Beide Frauen kennen sich persönlich.
Auf die Frage, wann sie zum ersten mal mit diesem Thema in Berührung kam, meint sie: „In den frühen 1980-er Jahren sah ich im Buchladen des Amman Intercontinental Hotels ein wundervolles Buch mit dem Titel: „Costumes Dyed By The Sun“ in dem es um die bestickten palästinensischen Kleider aus der Sammlung von Widad Kawar ging. Das Buch war in Japan gedruckt worden; das beeindruckte mich umso mehr. Ich kaufte mehrere Exemplare als Geschenke für meine Familie. Einige Jahre später hatte ich das Glück, Widad Kawar persönlich kennen zu lernen und jedes Mal, wenn ich in Amman bin, besuche ich sie. Das Treffen im Juni 2013 habe ich dazu genutzt, ihr meine Eindrücke von ihrer großartigen Ausstellung in Basel zu schildern. Diese Ausstellung habe ich sogar zweimal besucht (läuft noch bis Ende August 2013). Ab Oktober 2013 wird ein Teil ihrer traditionellen Kleider-Sammlung in Nürnberg zu sehen sein. Außerdem freue ich mich darüber, dass ihr meine Arbeit gefällt, sie fordert mich stets auf, meine neuesten Werke mitzubringen, damit sie sie Fachleuten zeigen kann. Außerdem treffe ich bei ihr Kuratoren ihrer Ausstellungen, die inzwischen in berühmten Museen von Japan bis Mexiko stattfinden und das ist immer sehr lehrreich“. - Warum kam bisher niemand auf die Idee, sozusagen als thematisch optimal passende Ergänzung bei den Ausstellungen von Widad Kawar auch Arbeiten von Najat El Khairy zu präsentieren?
Najat Al-Khairy mit Kleid und Kopfbedeckung aus Ramallah (aus der Sammlung Widad Kawar)
Najat hatte in ihrem Künstlerleben bereits viele Ausstellungen, und da gab es zwei besondere Begebenheiten: „Spontan erinnere ich mich an eine Ausstellung im UN-Gebäude: Am 28. November 2012 habe ich dort inmitten einer großen Menschenmenge in einem Radiointerview beschrieben, wie Künstler durch künstlerische Kreationen viel erreichen können, indem sie Protest artikulieren, Probleme bewusst machen, den “Finger in Wunden legen” oder Widerstand leisten – ich war 2 Tage später Zeuge eines historischen Moments für das palästinensische Volk, denn am 30.11.2012 erhielten die Palästinenser den Beobachter-Status bei der UN als Nicht-Mitglied. Mein Werk für die Ausstellung hieß – in Anspielung auf das tatsächlich existierende Bauwerk „Die Mauer“ – eine aus 2007 stammende Arbeit aus 13 vertikal aufgestellten Einzeltableaus mit nach oben strebenden, gemalten, palästinensischen Kreuzstichmotiven, die Standhaftigkeit und Beharrlichkeit des palästinensischen Volks in ihrem eigenen Land symbolisieren sollen. Dieses Werk an diesem Tag ausstellen zu können, war ein ganz besonderer Moment. - Ebenfalls in guter Erinnerung ist mir ein Gespräch anlässlich der Ausstellung “Conversation with Gaza” in der “The Jerusalem Fund Gallery” im September 2009 in Washington DC. Ich wurde von einem Fernsehjournalisten interviewt. Das Fernsehteam war speziell zu dieser Ausstellung erschienen, um eine Dokumentarsendung über meine Arbeit zu produzieren. Ich hatte die Gelegenheit, meine Verbundenheit mit den Menschen in Gaza zu beschreiben, die ich nämlich durch jeden einzelnen Kreuzstich, den ich malte, visualisierte, während der Krieg weiterging ... Ich war buchstäblich durch meine Arbeit mit den Palästinensern im Dialog und sagte ihnen, dass wir mit jeder Faser unseres Seins solidarisch sind und alles tun um das ihnen zugefügte Leid und die ihnen angetanen Ungerechtigkeiten zu mildern”. - Wo in USA und Kanada stellt sie regelmäßig aus? “Da kann ich z. B. die Meridian Gallery in San Francisco nennen, ferner die Nashashibi Gallery in San Diego und das Musée du Domaine de Joly de L’Otbinière in Québec City“.
Auf die Technik ihrer Arbeit angesprochen, meint sie: “Alle meine Werke sind handgemalt auf Porzellan. Einen großen Teil nimmt der gemalte Kreuzstich der Palästinensischen Stickerei ein, die Motive stammen von den traditionellen Kleidern der Palästinenserinnen. Ich benutze einen dünnen Pinsel und Spezialfarbe und male jedes einzelne Kreuz, dabei muss ich die Kreuze genauso zählen, wie die Stickerinnen. Während diese z. B. mit Nadel und Faden auf Leinen sticken, male ich mit Pinsel und Farbe auf Porzellan. Andere “Stickereitechniken” erfordern bei der “Übertragung” auf Porzellan wegen der Dreidimensionalität kompliziertere Methoden der “Malerei” und auch schwierigere Brennverfahren mit höheren Temperaturen.
Bei dem Motiv für ein Brautkleid (siehe Foto 2) musste ich u. a. den “Satin Stich” nachahmen und benutzte 24 K Gold Farbe, um den Goldfaden der Stickerei “nachzuempfinden”. Manche Betrachter meinen, “aufgeklebtes” Textilmaterial zu sehen, das trifft nicht zu – es ist alles handgemalt. Die Brustpartie der Kleider wird deshalb bestickt, weil man daran glaubte, dass mythologische Symbole, wie z. B. die gestickte “Hand der Fatima” die bösen Geister fernhält”.
Bridal Chest Panel „Art and Spirituality“ nach einem Brautkleiddesign von AnatNach Träumen und Wünschen gefragt, meint Najat: “Mein Traum ist es, durch die Schönheit meiner Arbeiten die Aufmerksamkeit für die Anliegen der Palästinenser zu erregen. Kunst ist Schönheit, die die Seele erreicht. Es ist wichtig, durch die Kunst zu kommunizieren, sie ist die universelle Sprache. Durch die Kunst verstehen die Menschen menschliches Leid und Glück. Es ist ein wunderschöner und friedlicher Weg, der Welt die reiche Kultur und das besondere palästinensische Kulturerbe nahe zu bringen, besonders denjenigen Menschen, die die Existenz des Palästinensischen Volkes außer acht lassen. Meine Wünsche beziehen sich auf weitere Ausstellungsaktivitäten - in Kanada, USA und auch hoffentlich bald in Europa …
Internet: www.najat.ca
Text: Barbara Schumacher, Fotos: Najat El-Khairy
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