Am 4. August 2020 detonierten in einem Lagerhaus im Hafen von Beirut 2.700 Tonnen Ammoniumnitrat. Das Salz, das zur Herstellung von Düngemittel, aber auch von Sprengstoff, genutzt werden kann, lagerte dort offenbar jahrelang ungesichert – und mit dem Wissen von Regierungsmitgliedern. Durch die Explosion wurden mehr als 200 Menschen getötet und rund 6.000 verletzt. Große Teile des Hafens und der anliegenden Wohngebiete wurden massiv zerstört. Bis heute sind die genauen Ursachen für die Katastrophe nicht geklärt, Verantwortliche nicht identifiziert.
Die ohnehin schwierige Lage im Libanon hat sich infolge der Explosion und des darauffolgenden Rücktritts der Regierung weiter verschärft. Noch immer ist das Land ohne handlungsfähige politische Führung. Wie viele andere ringt es mit der Corona-Pandemie, leidet inzwischen aber auch unter der schwerste Wirtschaftskrise seit Jahrzehnten. Nach Angaben der Weltbank leben mehr als die Hälfte der rund fünf Millionen Libanesinnen und Libanesen in Armut.
Der Politik- und Islamwissenschaftler Michael Lüders ist Nahost-Experte und Kenner des Libanon. Der Libanon habe viele Probleme, „innenpolitisch wie auch durch die Einwirkung von Akteuren“, sagte er im Deutschlandfunk. Das große innenpolitische Problem sei, dass es sich beim Libanon immer noch um einen Feudalstaat handele, in dem verschiedene religiöse und ethnische Anführer einander gegenüberstünden und nicht wirklich bereit seien, das überkommene, politische Proporzsystem zu überwinden und eine wirkliche Demokratie zuzulassen.
Hinzu kämen externe Akteure, die Einfluss nähmen. So spiegele sich auch der Konflikt zwischen Saudi-Arabien und dem Iran im Libanon wider. Letztlich gäbe es zu viele Interessensgruppen, die eine Öffnungen des Landes verhinderten. Das Ergebnis seien Staatszerfall und der Zusammenbruch der Wirtschaft. Möglicherweise müsse das Land erst noch weiter in die Krise abgleiten, bevor die politische Klasse bereit sei, zu handeln, meint Lüders.
Das Interview im Wortlaut: hier.
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