Von Raniah Salloum
Der libanesische Taxifahrer - Schnurrbart, Pilotenbrille - hat einen besonders anstrengenden Fahrgast mitgenommen, einen Salafisten. Ständig hat der irgendetwas auszusetzen. "Gab es das früher? Mach diese Ketzerei aus", meckert der Salafist über die Musik im Radio. Auch die Umgangssprache des Taxifahrers passt ihm nicht, die Klimaanlage stört ihn, das Handy nervt. Da platzt dem Fahrer der Kragen. "Gab es früher Taxis? Raus mit dir! Such dir ein Kamel in die Innenstadt!"
Die Satire des libanesischen Fernsehsenders LBC ist ein Beispiel für die Haltung, mit der einige im Nahen Osten die Miliz "Islamischer Staat"(IS) betrachten. Auf YouTube und auf arabischen Kanälen gibt es immer mehr Spottvideos über die Radikalen.
"Diese Leute repräsentieren nicht den wahren Islam. Indem wir uns über sie lustig machen, zeigen wir, dass wir gegen sie sind", sagt Nabil Assaf, einer der Produzenten und Gag-Schreiber der LBC-Satiresendung. "Es ist ein Weg, Extremismus abzulehnen auf eine Art, die keine Angst macht."
Die Häme kann sich allerdings nur leisten, wer sich in sicherem Abstand zu den Kämpfern der IS befindet und keiner Gefahr ausgesetzt ist. Allein im Irak mussten knapp eine Million Menschen zwischen Juni und August vor der Miliz flüchten.
Radikale als einfältig und scheinheilig verspottet
Der rasante Aufstieg von IS irritiert nicht nur im Westen. Auch im Nahen Osten prallen Welten aufeinander: Liberale Moslems treffen auf Radikalislamisten wie in dem Video mit dem Taxifahrer. Manchmal werden die Glaubensunterschiede zudem überlagert von der unterschiedlichen sozialen Herkunft: Die Mittelschicht und Eliten der Städte blicken mit einer Mischung aus Ungläubigkeit und Arroganz auf die extremistischen Emporkömmlinge. Viele der IS-Kämpfer und Selbstmordattentäter stammen aus eher einfachen Verhältnissen. Die ausländischen Dschihadisten haben zudem oft kaum Kenntnisse von den Ländern und Gesellschaften, in denen sie sich bewegen.
In den Spottvideos schwingen immer dieselben Untertöne mit: Den IS-Kämpfern wird Scheinheiligkeit, Besserwisserei und Einfältigkeit attestiert. So spottet ein libanesischer Satiretext über den IS, die Miliz habe eigentlich den Libanon erobern wollen, dann jedoch erst einmal davon abgesehen - weil sie nicht so genau durchblicke, wen sie eigentlich stürzen müsse. "Wir verstehen die Logik des Libanons noch nicht so ganz", verzweifelt der vermeintliche IS-Sprecher in der Satire an dem komplexen multikonfessionellen Staat.
Satire unter dem Hashtag #ISISMovies
Auf Twitter werden die Radikalen unter dem Hashtag #ISISMovies veralbert: wie Filme hießen, wenn sie von den Radikalen gedreht würden. Vorschläge sind nach Tarantino-Vorbild etwa "Kill Bill, Kill Everyone" und "Dschihad Unchained", oder auch "I Know What You Did Last Ramadan" und "My Best Friend's 11-Year Old Daughter's Wedding" in Anlehnung an bekannte US-Filme.
Auf Twitter werden die Radikalen mit sarkastischen Fragen unter #AskIslamicState verhöhnt. Vergleichsweise harmlos sind da noch Sätze wie: "Seid ihr euch absolut sicher, dass noch wirklich 72 Jungfrauen für jeden Märtyrer übrig sind?" Auch viele pauschale Attacken auf den Islam sind darunter.
Selbst im wahren Leben sorgt der Zusammenprall der zwei Welten manchmal für Szenen, die inmitten der Grausamkeit an Realsatire grenzen: Zwei irakische Nonnen beschrieben auf der auf Syrien spezialisierten Webseite"Syria Comment" ihre Begegnung mit einem tunesischen Dschihadisten, der kaum etwas über Christen wusste und sie ständig schikanierte. Für den irakischen IS-Chef des Tunesiers dagegen waren Christen nichts Fremdes - seit über tausend Jahren lebten sie mit Muslimen im Nordirak zusammen.
Der irakische IS-Kämpfer tröstete die Nonnen nach einer erneuten Ausfälligkeit des Tunesiers: "Macht euch keine Sorgen um diesen Typen, der ist eh bald weg. Das ist ein Selbstmordattentäter."
Das Video und den Originalartikel finden Sie auf SPIEGEL ONLINE.
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