In seinem letzten Buch rechnet die kürzlich verstorbene Reporter-Legende Peter Scholl-Latour mit der Politik des Westens ab. Was in Staaten wie Libyen, Syrien und dem Iran geschieht, ist für ihn vor allem eines: das Ergebnis der „bösen Taten“ der USA und ihrer Verbündeten.
Kurz vor seinem Tod beendete Reporter-Legende Peter Scholl-Latour sein Buch „Der Fluch der bösen Tat“. Auf Basis seiner jahrelangen Erfahrungen und Erlebnisse in den Ländern des Orients analysiert er das Scheitern des Westens – und kommt zu gewohnt kontroversen Schlüssen.
In einer Serie fasst FOCUS Online Scholl-Latours Positionen zusammen.
Teil 5 – Die bösen Taten des Westens im Iran, in Libyen und Syrien
Über Jahrzehnte hat der Reporter die Geschehnisse im Orient verfolgt und vieles vor Ort miterlebt. Er kam dabei zu der Überzeugung, dass viele der Probleme dort auf Fehleinschätzungen und falsches Verhalten von Seiten des Westens zurückzuführen seien. In seinem Buchtitel hat Scholl-Latour diese Erkenntnis als heftigen Vorwurf formuliert: „Der Fluch der bösen Tat“.
Der Urknall im Iran
Dieser Fluch offenbart sich für Scholl-Latour eindringlich am Beispiel des Iran. In den 50er-Jahren schmiedete der US-Geheimdienst CIA ein Komplott gegen den damaligen iranischen Präsidenten Mohammad Mossadegh, um – so der Autor – „eine Bastion der eigenen Hegemonie im Mittleren Osten zu errichten“.
Auch wenn dies den Amerikanern bis heute nicht bewusst sei, habe sich diese Einmischung tief in das nationale Gedächtnis des Irans eingebrannt. Als „Demütigung und Schmach“ wirke sie wie ein Urknall fort. Und stehe somit am Anfang jener „endlosen und tragischen Gegnerschaft“ mit den USA, die nach der Islamischen Revolution unter Führung des Geistlichen Ruhollah Chomeini zur „Schicksalfrage der gesamten Region werden sollte“.
Der Fluch der bösen Tat: Das Buch vom Bestsellerautor Scholl-Latour über die Lage im Orient
Schamlose Heuchelei in Libyen
Ein weiteres Beispiel dafür, wie sich der Westen selbst verfluchte, ist für Scholll-Latour Libyen. Nirgendwo habe sich die „Heuchelei der atlantischen Diplomatie schamloser enthüllt“ als in den Beziehungen zum libyschen Diktator Muammar al-Gaddafi.
Obwohl Gaddafi seine Untertanen unterjocht und internationalen Terrorismus betrieben habe, wurde Libyen von der Liste der den Terrorismus begünstigenden Staaten gestrichen. Die frühere US-Außenministerin Condoleezza Rice habe sich „nicht entblödet“, Libyen in der Ära Bush als „wichtiges Vorbild“ für Länder wie den Iran und Nordkorea zu bezeichnen.
„Unverzeihliche Fehleinschätzungen“
Auch der frühere britische Premierminister Tony Blair lobte Gaddafi seinerzeit als „soliden Partner des Westens“. Gerhard Schröder reiste als deutscher Bundeskanzler nach Tripolis und der französische Präsident Nicolas Sarkozy ließ den libyschen Diktator gar sein Wohnzelt in Paris aufschlagen.
Scholl-Latour sieht darin nicht nur eines der „schändlichsten Kapitel einer verlogenen Menschenrechts-Diplomatie“, sondern auch einen Boomerang für den Westen: Wieder einmal seien die Strategen in Washington, London und Paris „unverzeihlichen Fehleinschätzungen“ erlegen.
Denn wie Gaddafis Regentschaft endete, ist bekannt: Auf den Austand gegen ihn folgte ein Bürgerkrieg, in dem mindestens 30.000 Menschen starben. Die Nato griff militärisch auf Seiten der Rebellen ein, eine Flugverbotszone wurde eingerichtet. Gaddafi wurde gestürzt und schließlich getötet. Chaos und Gewalt jedoch gehen in Libyen weiter.
Blamable Wunschvorstellungen in Syrien
In seiner gnadenlosen Analyse des westlichen Versagens im heutigen Bürgerkriegsgebiet Syrien beruft sich der Reporter auf seine Erlebnisse und Gespräche in diesem Land. Bei seiner letzten Syrienreise traf er Vertreter der Rebellenarmee.
„Blamable Fehleinschätzung“
Einer von ihnen erzählte Scholl-Latour, er sei bereits ein Jahr vor Beginn der Proteste von jordanischen und getarnten amerikanischen Agenten kontaktiert worden. Unter Zusicherung finanzieller Vorteile hätten diese ihn ermutigen wollen, sich einer umstürzlerischen „Freien Syrischen Armee“ anzuschließen. Denn Washington habe geglaubt, es müsse nur eine vom Westen unterstützte Oppositionsarmee auftauchen, um eine Volkserhebung auszulösen, die den Assad-Clan hinwegspülen würde.
Dies erwies sich als – wie Scholl-Latour es formuliert – „blamable Fehleinschätzung“. Noch immer ist Baschar al-Assad Präsident. Der Bürgerkrieg kostete bereits mehr als 150.000 Menschenleben – und dauert an. Auf Seiten der Rebellen kämpfen islamistische Terroristen, die nicht nur Assad stürzen, sondern auch ein Kalifat errichten wollen.
Der Errichtung eines neuen Kalifats Vorschub geleistet
Die Offiziere der vom Westen unterstützten Freien Syrischen Armee, die er in Syrien getroffen habe, seien über die Entwicklungen selbst entsetzt gewesen, schreibt Scholl-Latour. Denn der von ihnen angestrebte Regimewechsel habe sich zu einem grauenhaften Massaker ausgeweitet, innerhalb der Opposition würden sie von den Extremisten an die Wand gedrängt.
Die Standhaftigkeit Assads und die Tatsache, dass sich die Dschihadisten des von den USA geförderten Aufstands bemächtigen, löste Scholl-Latour zu Folge in Washington „Verwirrung und Ratlosigkeit“ aus. Auch dort sei man sich mittlerweile bewusst, dass der Westen mit seiner „hemmungslosen Kampagne“ gegen Assad der Errichtung eines neuen Kalifats Vorschub geleistet habe.
Wieder einmal, so Scholl-Latour, seien die westlichen Geheimdienste Opfer der eigenen Wunschvorstellungen und utopischen Fehlplanungen geworden. So wie einst „im Irak und in Ägypten" und „morgen vielleicht im Iran“.
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